Europa Universalis

Excel meets Risiko?

Wir müssen reden: Europa Universalis - Excel meets Risiko

Heute gibt es strategischen Tiefgang, wenn Leichtmatrose Bacon sich vom erfahrenen General Fjalk die Tiefen und Untiefen von Europa Universalis erklären lässt. Die beiden klären dabei die folgenden Fragen:

 

  • Was sind die Unterschiede bei den Grand Strategie Titeln von Paradox?
  • Wieviel historische Genauigkeit ist in diesem Sandbox- 4x- Globalstrategiespiel?
  • Lieber friedlich zuschauen oder immer mit dem Nachbarn kloppen?
  • Ist nur in Europa zu spielen nicht langweilig?

Heute sprechen wir bei den Spielarchäologen über Europa Universalis, ein Strategiespiel mit historischem Tiefgang. Wir diskutieren die Vielfalt der spielbaren Nationen, komplexe Mechaniken und historische Genauigkeit des Spiels. Europa Universalis betont Diplomatie, Kriegsführung und die Bedeutung taktischer Entscheidungen. Wir beleuchten Kriegsgründe, Missionare und Spielfortschritt. Wir loben die faszinierende Mischung aus Strategie und Geschichte und gehen auch zum Teil auf die Nachfolger ein.

Spielname
EU
Jahr
2000
Firmen
Blackstar Interactive, Paradox
Personen
Johan Andersson
Plattformen
PC
Der Startbildschirm von Europa Universalis

Wertungskasten

PC Joker Ausgabe: 1/01 Wertung: 66%
Gamestar Ausgabe: 1/01 Wertung: 47%
Paradox wagte sich seit Anbeginn des Studios vor allem an große Strategiespiele heran. Das Studio wurde gegründet, nachdem das Vorgänger-Studio mit einem ähnlichen Spiel im skandinavischen Setting nicht erfolgreich genug war. Also dachten die Entwickler größer und versuchten es auf europäischer Bühne erneut.
Eine Staatsehe eröffnet uns neue Möglichkeiten.
Dabei ist der Name Europa Universalis etwas irreführend, da neben Europa auch große Teile der restlichen Welt (mindestens die Küstengebiete) im Spiel vorkommen und für den Aufbau eines Weltreiches nicht zu vernachlässigen sind.
Wir haben einen Auftrag erfüllt.
Seit über 20 Jahren eines meiner Lieblingsspiele.
- Fjalk
Viele neue Spieler erschlägt die Tiefe des Spiels, selbst erfahrene Civilization-Veteranen müssen sich an diese und den Ablauf in stufenweise einstellbarer Echtzeit erst gewöhnen. Im Startbildschirm lässt sich aber einiges anpassen. '
Der Startbildschirm lässt die Schwere des Spiels einstellen.

Die Bereiche von Europa Universalis

Ein Spiel wie Europa Universalis kann und sollte in mehrere Bereiche unterteilt werden, auf die wir jeweils separat eingehen wollen, um einen möglichst vollständigen Überblick zu bieten. Dennoch bleibt die Beschreibung recht oberflächlich. Zusätzlich gibt es noch ein paar Tipps und die Lieblingsfunktionen die kaum etwas nützen, sowie Informationen zu Fjalks Lieblingskampagne.
Entdeckungen und die neue Welt
Außer Portugal und Spanien muss sich zu Beginn kaum eine Nation Gedanken um den schnellen Aufbau eines Kolonialreiches machen, da man für die Entdeckung von Seewegen und neun Ländern Entdecker (Admiräle) und Konquistadoren (Generäle) braucht, die einem jeweils auch einen Siedler bringen.
Im späteren Spielverlauf erhält man auch anders Siedler und durch Forschung kann man mit normalen Admirälen und Generälen unentdeckte Gebiete aufdecken.
Je länger eine Flotte unterwegs ist, desto höher ist der Verschleiß und Schiffe können und werden sinken. Wenn man Glück hat, gibt es einen Hafen, den man anlaufen kann, was zu einer “Sofortinstantsetzung” führt.
Die Konquistadoren und Provinzen
Auch Konquistadoren, die durch fremde Landschaften laufen, erleiden Verschleiß, wenn auch nicht so schnell wie Flotten. Dafür können sie auf feindlich gesinnte “Eingeborene” treffen, wodurch die Armee auch schrumpfen kann.
Hat man eine Provinz entdeckt, die man gerne besiedeln möchte, oder auch nur einen Handelsposten errichten, kann man einen Siedler losschicken, was je nach Entfernung mehr oder weniger Gold kostet, das aber auch verloren gehen kann, wenn die Besiedlung scheitert.
Die Ureinwohner - der entscheidende Faktor
Ein Faktor, die die Erfolgswahrscheinlichkeit beeinflusst, ist das Vorhandensein von einer einheimischen Bevölkerung in der zukünftigen Kolonie. Diese hat einen Agressionswert (von 1-9). Je höher desto unwahrscheinlicher ist eine erfolgreiche Besiedlung.
Mit einer Armee vor Ort kann man die aggressive, ursprüngliche Bevölkerung aber auch angreifen. Klingt nach Genozid und ist es auch.
Der Vorteil eine Kolonie zu errichten ohne die “Ureinwohner” zu vertreiben, bzw. abzuschlachten, ist, dass man, nach dem die Kolonie die Größe von 700 Kolonisten erreicht hat, die indigene Bevölkerung als Einwohner dazu bekommt, was zu einer ansehnlich großen Stadt im Kolonialgebiet führen kann, was sich auch auf die gleichzeitig rekrutierbaren Truppen auswirkt und natürlich die Steuern und den Handelswert positiv beeinflussen.
Die Grenzen der Welt
Es ist übrigens nicht möglich, die ganze Welt zu entdecken. Bis auf einige "Korridorprovinzen" ist das Innere von Afrika, Asien und den Amerikas nur soweit zu entdecken, wie es zum Ende des 18.Jhds. bekannt war.
Diplomatie
Hier können Allianzen verwaltet und Staatsehen eingegangen werden (2. führt nur dazu, dass das eigene Ansehen bei der anderen Nation steigt und der Fog of War verschwindet).
Es kann Händlern einer Nation der Zugang zu eigenen Handelszentren verweigert werden. Es können Entdeckungen (Weltkarte) ausgetauscht und Darlehen vergeben werden.
Welche diplomatischen Möglichkeiten man hat, hängt von dem Sympathiewert einer Nation ab. (-200 bis +200). Trotzdem kann man über Dritte mit Nationen, die einen abgrundtief hassen, in einer Allianz sein.
Krieg
Im frühen Spiel sollte man aber auch darauf achten, nicht zu viel Geld für die Flotten seiner Entdecker auszugeben, da die anderen Nationen auch ihre europäischen Besitzungen ausweiten wollen. Da ist ein abgelenkter Nachbar eine leichte Beute.
Länder können zwar komplett annektiert werden, doch ist das bei großen Nationen schwierig und ein Krieg, wenn er erfolgreich verläuft, bringt dem Sieger meist nur bis zu drei Provinzen. Auch Gold kann vom Verlierer gefordert werden. Das Ganze wird über ein Sternesystem festgelegt, die man gegen Provinzen oder Gold “eintauschen” kann.
Verläuft der Krieg zu Ungunsten des Spielers, kann er einen “Weißen Frieden” (zurück zum Status Quo) oder seinerseits Provinzen und/oder Gold für Frieden anbieten.
Die Armeen
Die Armeen sind in drei Waffengattungen unterteilt: Infanterie, Kavallerie und Artillerie. Mit dem Voranschreiten der Forschung wird die Waffentechnik verbessert, was dazu führt, dass “Eure Armeen besser kämpfen werden”. Anders als bei späteren Teilen der Serie gibt es keine spezifischen Einheiten und auch was genau die Forschung “verbessert” wird nicht erklärt. Egal! Hauptsache es klappt.
Vor allem die Artillerie wird im Spielverlauf immer wichtiger, denn nach und nach kann man die Befestigungen der Städte (Regionen) verbessern. Eine Armee ohne starke Kanonen wird sich daran die Köpfe einrennen.
Wo zu Spielbeginn noch mittelalterliche Soldaten mit ihren Piken auf der Karte wackeln, verändern sich die diese im Midgame zu neuzeitlichen Recken mit Ausrüstung aus dem 17. Jahrhundert und im Endgame marschieren mit Musketen bewaffnete Linieninfanteristen des 18. Jhd. mit ihren Dreispitzen durch die Provinzen.
Das ist nett anzusehen und kann einem auch verraten, ob man einem Gegner in der Waffenforschung voraus ist oder hinterher hinkt. Das Gleiche auch bei der Marine.
Handel
Der Handel spielt in EU eine wichtige Rolle. Jede Provinz verfügt über eins von x Handelsgütern. (z.B. Getreide, Wein, Eisen, Textilien…) Problematisch: Diverse Provinzen Afrikas haben die Handelsware Sklaven. Wurde nicht in spätere Teile übernommen.
Man kann Händler (sofern man über solche verfügt) - ähnlich wie Siedler- aussenden, damit sie in Handelszentren, die überall in der Welt verteilt sind und gewisse Gebiete grenzübergreifend umfassen und deren Zahl im Laufe des Spiels steigt (wobei ihr Einflussbereich dementsprechend schrumpfen kann), Gewinne für die eigene Nation erwirtschaften.
Hierfür gibt es eine Auto-Funktion, die ich nur empfehlen kann, wenn man nicht im Micromanagent versinken will. Es kann aber sicherlich auch Sinn machen, seine Händler händisch zu platzieren, wenn eine Nation gezielt aus einem Markt drängen will. Letztlich besteht aber immer die Möglichkeit eines Fehlschlages, was bedeutet, dass der Händler verloren ist und man die Kosten für die Überfahrt umsonst ausgegeben hat.
Monopole und Manufakturen
Außerdem können Monopole errichtet werden und Nationen kann der Handel in Handelszentren innerhalb des eigenen Reiches verboten werden (Meinung sinkt)
Im Laufe der Zeit kann man verschieden Manufakturen errichten, die den Handelsertrag einer Provinz noch steigern kann. (Waffenmanufaktur für Metalle, Brennerei für Zucker und Wein, Schiffsausstattungsmanufaktur für Fisch und Schiffsmaterialien und Handelsgütermanufaktur für Tuch, Tabak und Baumwolle).
Für einige Handelsgüter gibt es keine speziellen Manufakturen. Dann bleibt einem noch immer die Kunstakademie, die eine Provinz aufwerten kann.
Monarchen und Regenten
Die Regenten stellen einen kleinen Rollenspielaspekt im Spiel dar. Manchmal historisch korrekt, oft auch nicht, sind manche mit besonderen Boni - z.B. im Bereich Diplomatie - ausgestattet. Besonders wichtig sind sie aber nicht, da man ja quasi selbst als Souverän agiert.
Stabilität
Ein wichtiger Wert einer Nation ist Stabilität. Dieser Wert (von -3 bis +3) wirkt sich unter anderem auf die Steuereinnahmen und die Möglichkeit von Aufständen aus. Man kann ihn jährlich, wie die Forschungsbemühungen, mit Gold “steigern”.
Aufstände und Bürgerkriege können zu neuen Nationen führen. Manche sind geskriptet und daher schwer zu bekämpfen, wie z.B. die Unabhängigkeit der Niederlande von Spanien.
Aufträge und Adelstitel
Optional kann man bei EU Aufträge erfüllen (Staatsehe mit XY, erlange die Kontrolle über Provinz X). Bei Gelingen bekommt man zusätzliche Siegpunkte, bei Misslingen Minuspunkte.
Je nachdem kann man bei bestimmten Schwellenwerten in der Adelshierarchie aufsteigen (Baron, Graf usw.) oder aber auch degradiert werden.
Die Titel sind (glaube ich) nur für die Immersion, wohingegen die Siegpunkte und damit der Platz in der Punktetabelle direkten Einfluss auf die “Spielsieg” haben.
Religion
Am Anfang noch übersichtlich (Muslimisch - aus christlicher Sicht (sunitisch, shiitisch), katholisch, orthodox), wird mit der Reformationszeit weiter ausdifferenzierter (lutherisch, calvinistisch…) Kann zu Unruhen führen, wenn man eine Religion in seinem Reich bevorzugt.
Minimap
Toll! Keine wirklichen Informationen, minimalistisch, sieht aber wie eine historische Weltkarte aus, auf der die (zurzeit bekannten) Kontinente und Ozeane angedeutet werden.
Fantasia
Meine Lieblingskampagne! Man spielt eine Nation, die in den historischen Kampagnen nicht spielbar bzw. noch nicht oder nicht mehr existent ist. (z.B. Katalonien, Irland, Mamelukenreich)
Man startet mit einer einzigen Provinz und ist von einer unentdeckten, unbesiedelten Welt umgeben. Man bekommt in jedem Jahr 6 Siedler und kann sein Reich von null an errichten.
Auch Indien kann entdeckt werden.
Das Spiel beschränkt sich nicht nur auf Europa, auch in Indien können wir Provinzen entdecken und einnehmen.

Fjalks kuriose Erlebnisse aus 20 Jahren

Wer ein Spiel so lange spielt, wie Fjalk schon Europa Universalis gespielt hat, der hat mit Sicherheit schon einige merkwürdige und kuriose Erlebnisse gehabt. Wir wollen die besten auflisten und mit dir teilen.
Bündnisse und die Geografie
Vor allem Bündnisse sorgen oft für seltsame geografische Ereignisse. So kann England nach einem Krieg aufseiten Schwedens gegen Russland plötzlich Provinzen im Süden Finnlands besitzt.
Die KI vergisst schonmal fundamentales
Es kommt oft vor, dass KI-England vergisst, dass es seine Flotte zur Verteidigung der britischen Inseln einsetzen sollte. Ergebnis: In weiten Teilen Irlands bzw. Schottlands sprach man von da an französisch.
Waffenstillstand weil nix passiert
Eine Besonderheit in der Kriegsführung bzw. dessen Ende ist der Waffenstillstand wegen Untätigkeit. Wen es nach einem längeren Zeitraum zwischen zwei Nationen, die sich im Krieg befinden, nicht zu Kämpfen gekommen ist, wird ein Waffenstillstand (Friede) wegen Untätigkeit ausgerufen. Das passiert öfter, wenn es sich um Nationen, die keine gemeinsame Grenze, oder die keine Küste haben, handelt. Es ist eben für England schwierig, in Böhmen einzufallen.
Polnische Kolonien in der Karibik?
Auch im Siedlungsbau kommt es zu Kuriositäten. So sieht man gelegentlich polnische Karibikinseln, oder entdeckt eine osmanische Siedlung auf Madagaskar.
Erwarte das unerwartete
Es ist eben doch nicht jede Runde Europa Universalis gleich, das Spiel entwickelt sich jedes mal etwas anders. Erwartet also das unerwartete und bereit euch darauf vor.
Das Spiel sieht für mich aus, als hätten Excel und das Brettspiel Risiko ein uneheliches Kind. War mir immer zu komplex und Einsteiger unfreundlich.
- Bacon L'Orange

Europa Universalis - 2000 - Fantasia Kampagne mit Katalonien

Paradox Interactive veröffentlichte im Jahr 2000 mit Europa Universalis das Erstlingswerk des Studios. Das Spiel setzte auf eine kleine Zielgruppe von Strategiespielern und konnte über die Jahre viele Anhänger gewinnen. Hier spielt Bacon die ersten Minuten des Spiels und versucht mit Katalonien einige Provinzen zu erobern.

Paradox andere Spiele

War Paradox im Jahr 2000 noch ein kleiner Entwickler, so spezialisierten sie sich immer mehr auf Strategie und Aufbauspiele. Hier eine, nicht vollständige, Liste der Spiele, die Paradox veröffentlich hat oder bei denen sie als Publisher tötige waren (ein Titel pro Serie).

Die Spiele-Archäologen Wertung zu "Europa Universalis"

Trotz mangelnder Transparenz der Spielmechaniken und der, zu neueren Paradox-Titeln, eingeschränkten Anzahl an spielbaren Nationen, ist Europa Universalis immer noch eines meiner absoluten Lieblingsspiele.
Vieles von der Anziehung, die mich seit fast einem Vierteljahrhundert immer wieder in diese große-kleine bunte Welt zurückbringt, kann ich nicht rational erklären. Objektiv kann ich nur sagen: Ich bin ein Fanboy von EU1!
Fjalk: 9/10
Das erste Spiel, welches ich zu wenig gespielt habe, um es wirklich auch nur ansatzweise gerecht bewerten zu können.
Bacon

Wertung der Spiele-Archäologen: 9.00/10 Punkten